Unentschlossenheit macht sich breit an diesem regnerischen Tag im September. Das herabnieselnde Nass plätschert lustlos auf den preisgekrönten Designerliegen vor sich hin. Vor zwei Wochen noch räkelten sich hier die IT-Girls und B-Boys der Stadt, nun ergeben sich die Enzis verwaist ihrem meteorologischen Schicksal. Jour triste, bye bye summer. Von den Wänden des MUMOK lockt ein riesiges Plakat: „Bad Paintig, Good Art“. Bad painting? Klingt nach Aufbruch, nach Negation, nach Subversion. Klingt also gut. Entschlossen steigen wir die Stufen hinauf. Kaufen ein Ticket. Verstauen die Mäntel. Betreten den Glaslift. Entern die Ausstellung. Erwarten viel angesichts der ausgestellten Künstlerschaft: Francis Picabia, Giorgio De Chirico, René Magritte, Julian Schnabel, Martin Kippenberger, Georg Baselitz, John Currin, Asger Jorn, Albert Oehlen, Sigmar Polke. Ich freue mich auf Francis Picabia, grenzgenialer Illustrator Dada-Tzaras, radikaler Freigeist, Zerstörer und Erneuerer, Denker und Beweger, Stilbrecher und –multiplikator, Künstler. Doch statt Picabias überzeitlichen Man-Machine-Typo-Zeichnungen springt mich – was bitte ist das?! – ein neo-expressiv-heroischer Frauenakt an, der sicher der ollen Riefenstahl gefallen hätte. Ich muss schmunzeln und versuche mir Picabias diebische Freude ob der gutkunstbürgerlichen Reaktionen vorzustellen, die das Werk einst bei schwarzgedressten AvantgardVerstehern auslöste. Aus Schmunzeln wird Lachen beim Anblick des Pfeifenheinis von René Magritte. Der Mann hat Humor! Und jede Menge Selbstkritik, die so manchem zeigenössischen Shooting Star des Kunst=KapitalMarktes gänzlich fehlt. Denn wer rückt sich heutzutage schon bewusst in so ein schlechtes Licht? Nur jemand, der echte Größe besitzt. Jemand wie René Magritte. Überdrüssig seines surrealistischen Markenzeichens, rotzt er 1948 einfach einen schiachen Mann mit Pfeifen in jeder Öffnung auf die Leinwand. C’est ne pas une pipe, manifestement! Ohne irgendeiner Chronologie zu folgen, passieren wir John Currins schönheitsoperierte, silikonbusenüberdimensionierte Zombiehausfrauen. „Black hole sun, won’t you come“, loopt es in meinem Kopf. Anti-Ästhetik der äußeren, weil inneren Hässlichkeit, messerscharfe Karikatur des ganz alltäglichen Wahnsinns. Wahnsinn ist auch Asger Jorns Situationistenkitsch – übermalte Trödelmarktbilder, die dank intelligenter Modifizierung mit agressivem Pinselstrichen den Punk schon in den spießigen Fifties vorwegnehmen. „Personally I like bad better than good.“ I agree. Bad ist hier einiges: die plumpen Monsterfüße von Baselitz, der kompromisslos peinliche I-Love-Sportflecken-Schocker von Kippenberger. Oder die ausladenden Riesenleinwände von André Butzer, deren grobmotorische Fratzenfiguren mich an irgendwas erinnern … woran erinnern die mich nur … hm ……. YES! An diesen nervig nölenden Jack Skellington aus „Nightmare before Christmas“. Mit „nightmare“ hat dieses Bild allerdings Einiges zu tun. Unangefochtene Favoriten dieses trashigen Kunstpanoptikums sind für mich jedoch die rosanebligen Sarah-Kay-Pornobilder von Lisa Yuskavage. Wobei meine Ichs noch darüber diskutieren, ob ihnen das Optische oder Semantische besser gefällt, „kleiner Wichser“ oder „Tittenhimmel“. Wunderbar antiintellektuell. Selbstreflexiver Humor als Stingerrakete gegen Konventionalismus und Gedankendoktrinen. Am Ende dieses subversiven Höllentrips sind wir hoch zufrieden. Aufgeschlossen ziehen wir unseres Weges an diesem regnerischen Sonnentag im September, den Duchamp’schen Schalk im Nacken, den Jarry’schen Spott im Gesicht, das Ball’sche Lachen vor Augen.
Sterne am Tittenhimmel.
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